BREXIT: Können jetzt noch Umwandlungen steuerneutral durchgeführt werden?

Sabine Unkelbach-Tomczak, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, LSV Rechtsanwalts GmbH, Frankfurt am Main

Vorbemerkung – Stichtag 31. Januar 2020

In dem Referendum am 23.06.2016 sprach sich eine einfache Mehrheit der Briten für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) aus. Für diesen Austrittsvorgang wurde der Begriff „BREXIT“ geprägt und seitdem allgemein verwendet.

Den Bestimmungen des Art. 50 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) entsprechend unterrichtete das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich - United Kingdom - im folgenden kurz "UK") den europäischen Rat am 29. März 2017 schriftlich von seiner Absicht, aus der Europäischen Union auszutreten.

Die Mitgliedschaft des UK in der Europäischen Union (EU) hätte gemäß Art. 50 Abs. 3 EUV zwei Jahre später am 30.03.2019 geendet. Aufgrund mehrerer nachfolgender Beschlüsse des europäischen Rats im Einvernehmen mit dem UK wurde diese Frist mehrfach verlängert, zunächst zum 31.03.2019, dann bis zum 31.10.2019.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das UK tatsächlich am 31.10.2019 aus der EU ausscheiden würde, war aufgrund des Umstandes, dass Boris Johnson am 23.07.2019 zum Vorsitzenden der Konservativen Partei gewählt und am 24.07.2019 zum neuen Premierminister ernannt wurde, erheblich gestiegen. Seine Ernennung zum Premierminister erfolgte, nachdem Premierministerin Theresa May ihr Rücktrittsschreiben am 24.07.2019 Queen Elizabeth II. im Buckingham Palace überreicht hatte. (Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Bericht vom 24.07.2019, S. 1) Boris Johnsons Aufgabe war es, den Brexit am 31.10.2019 herbeizuführen, und zwar mit Austrittsabkommen mit der EU (sog. „weicher Brexit“) oder ohne Austrittsabkommen mit der EU (sog. „no-deal-brexit“ oder „harter Brexit“).

Auch zum 31.10.2019 erfolgte der Brexit nicht. Der Austritt des UK aus der EU beschäftigte im Herbst 2019 das britische Parlament, die britischen Politiker, die britischen Parteien und die Bürger im UK mit engagiert und kontrovers geführten Debatten und schließlich mit Neuwahlen.

Nach weiteren Verhandlungen mit der EU wurde schließlich der 31.01.2020 als  neuer Termin für den Austritt des UK aus der EU festgesetzt.

Während der anschließenden Übergangsfrist bis zum 31.12.2020 wird das UK weiter Zugang zum Binnenmarkt der EU und zur Zollunion haben. Seitens des UK soll es eine Verlängerung dieser Übergangsfrist nicht geben. Geplant ist seitens der Regierung in London, rechtzeitig bis zum Jahresende 2020 ein Handelsabkommen mit der EU zu vereinbaren. Ob dies gelingen wird, ist zur Zeit nicht sicher. (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Bericht vom 19.01.2020)

Ob und welche Regelungen für die steuerrechtlichen Beziehungen zwischen dem UK und der EU einerseits und deren einzelnen Mitgliedstaaten andererseits getroffen werden, ist ebenfalls noch nicht absehbar.

Über die rechtlichen und steuerrechtlichen Folgen des BREXIT wurde in den vergangenen drei Jahren viel diskutiert und verschiedene Szenarien möglicher Reaktionen erörtert. Die für alle Beteiligten in der EU und im UK zu erwartenden negativen Folgen wurden für alle politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bereiche zum Teil detailliert beleuchtet.

Der folgende Beitrag wird die gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Auswirkungen des BREXIT auf grenzüberschreitende Umwandlungen von Gesellschaften darstellen und die Möglichkeiten der Vermeidung der negativen steuerlichen Folgen untersuchen, sofern diese Gesellschaften grenzüberschreitende Aktivitäten in Deutschland und UK entfalten. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob jetzt noch grenzüberschreitende Umwandlungen ohne negative steuerrechtliche Folgen durchgeführt werden können.

Der folgende Beitrag geht nicht auf die neue Umwandlungsrichtlinie der EU ein.

Die Richtlinie (EU) 2019/2121 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (UmwRL) wurde am 12.12.2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist am 1.1.2020 in Kraft getreten.

Die Mitgliedstaaten der EU müssen die Umwandlungsrichtlinie bis zum 31.01.2023  in nationales Recht umsetzen.

(Anmerkung: Die neuen Verfahrensregelungen für grenzüberschreitende Umwandlungen stellt Dr. Peter Stelmaszczyk in seinem Beitrag "Die neue Umwandlungsrichtlinie - harmonisierte Verfahren für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel"  in der GmbHR 2/2020 dar.)

 

A. Rechtslage bis zum Brexit

Die Rechtslage im deutschen Steuerrecht bis zum Zeitpunkt des Brexit am 31.01.2020  kann, einfach zusammengefasst, dahingehend beschrieben werden, dass sämtliche Steuervergünstigungen, welche die EU in den vergangenen Jahrzehnten für Mitgliedstaaten entwickelt hat, auch für die in Deutschland und UK zwischen diesen beiden Staaten grenzüberschreitend tätigen Gesellschaften gelten.

Die in der EU geltende Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit haben die grenzüberschreitenden Tätigkeiten der Unternehmen zwischen Deutschland und UK begünstigt.

I. Im deutschen Gesellschaftsrecht wurde die britische Limited als weitere zulässige Rechtsform für Kapitalgesellschaften anerkannt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt wurden.

II. In das Umwandlungsgesetz (UmwG) wurde mit Wirkung vom 25.04.2007 der Zehnte Abschnitt "Grenzüberschreitende Verschmelzung" mit den §§ 122a - 122 l eingefügt. (Gesetz vom 19.04.2007, BGBl. I 2007, S. 542) Durch diese Bestimmungen wurde der Begriff der grenzüberschreitenden Verschmelzung definiert und geregelt, welche Kapitalgesellschaften und welche Personenhandelsgesellschaften an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligt sein können. Enthalten sind außerdem Bestimmungen zum Verschmelzungsverfahren und zur ergänzenden Anwendung anderer Vorschriften des Umwandlungsgesetzes.

III. Das Umwandlungssteuergesetz vom 07.12.2006 (BGBl 2006 I S. 2782, 2791) enthält für bestimmte Verschmelzungsvorgänge bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und für bestimmte Einbringungstatbestände steuerliche Vergünstigungen. Die begünstigten Vorgänge und Tatbestände sind folgende:

1. Das Umwandlungssteuergesetz ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 auf die im 2. und 3. Teil des Umwandlungssteuergesetzes erfassten Verschmelzungsformen oder vergleichbare ausländische Vorgänge anwendbar. In diesen Teilen geht es um Verschmelzungen auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person und um Verschmelzungen auf eine andere Körperschaft.

Die Anwendung erfolgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 jedoch nur, wenn

a) bei einer Verschmelzung die übertragenden und die übernehmenden Rechtsträger nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, gegründete Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder des Artikels 34 des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum sind, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Hoheitsgebiets eines dieser Staaten befinden, oder

b) übertragender Rechtsträger eine Gesellschaft im Sinne der vorstehenden Bestimmungen und übernehmender Rechtsträger eine natürliche Person ist, deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt sich innerhalb des Hoheitsgebiets eines der Staaten im Sinne der vorstehenden Bestimmungen befindet und die nicht aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung mit einem dritten Staat als außerhalb des Hoheitsgebiets dieser Staaten ansässig angesehen wird.

2. Der sechste bis achte Teil des Umwandlungssteuergesetzes gilt nach dessen § 1 Abs. 3 nur für

- Verschmelzungen im Sinne des § 2 des Umwandlungsgesetzes von Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften oder vergleichbare ausländische Vorgänge (Nr. 1) sowie

- für die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft, eine Genossenschaft oder Personengesellschaft (Nr.4)

- sowie den Austausch von Anteilen (Nr.5).

Anwendbar ist § 1 Abs. 3 UmwStG gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 UmwStG nur, wenn

a) der übernehmende Rechtsträger eine Gesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist.

Im Falle einer Verschmelzung muss also der übernehmende Rechsträger eine Gesellschaft sein, die nach den Vorschriften eines EU-Mitgliedstaates (Deutschland oder UK) gegründet wurde und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb eines dieser Staaten (Deutschland oder UK) befinden.

Diese Bestimmung erfaßt auch den Austausch von Anteilen. (§ 21 i. v. m. § 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG)

b) in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4

aa) bei der Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge der einbringende Rechtsträger oder bei der Verschmelzung der übertragende Rechtsträger

(1) eine Gesellschaft im Sinne von Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ist,

und wenn es sich um eine Personengesellschaft handelt, soweit an dieser Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen oder natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind, die die Voraussetzungen im Sinne von Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 erfüllen,

(2) oder eine natürliche Person im Sinne von Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ist

bb) oder das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist.

Nicht anzuwenden ist § 1 Abs. 4 Satz 1 UmwStG in den Fällen der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft nach § 24 UmwStG. (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG) Dementsprechend gelten die Einschränkungen für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 UmwStG für diese Fälle nicht.

3. Durch die Bezugnahme in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UmwStG auf Verschmelzungen im Sinne der § 2 ff. UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge werden die Steuerbegünstigungen des Umwandlungssteuergesetzes auch auf grenzüberschreitende Verschmelzungen angewandt.

Die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine andere Körperschaft oder auf eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person kann auf Antrag ebenso wie Verschmelzungen im Inland zu Buchwerten und somit steuerneutral durchgeführt werden. (§ 3 Abs. 2 Satz 1, § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG)

4. Einbringungen können auf Antrag auf der Basis von Buchwerten und somit ohne Aufdeckung der stillen Reserven steuerneutral durchgeführt werden. (§ 20 Abs. 2 Satz 2, § 21 Abs. 1 Satz 2, § 22 Abs. 1 Satz 6, § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG)

IV. Die vorstehend beschriebenen steuerlichen Vergünstigungen werden nur Anwendung finden, wenn die Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge bis zum Zeitpunkt des Brexits am 31.01.2020 vollständig abgeschlossen sind.

Sofern Umwandlungs- oder Einbringungsvorgänge teilweise oder vollständig nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens des UK aus der EU erfolgen, finden diese Vergünstigungen keine Anwendung mehr.

Daneben besteht auch für solche Sachverhalte, in denen der Steuerpflichtige bereits in der Vergangenheit alle steuerlich relevanten Handlungen vollzogen hat, die Gefahr, dass allein der Brexit ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen zu nachteiligen steuerlichen Rechtsfolgen führt. (BMF, Referentenentwurf zum Brexit-Steuerbegleitgesetz, Abschnitt A. Problem und Ziel; Begründung A. Allgemeiner Teil I. Zielsetzung und Notwendigkeit Regelungen)

B. Rechtslage nach dem Brexit ohne Gesetzesänderungen

I. Sofern keine Vereinbarungen zwischen Deutschland und dem UK getroffen werden, die ab dem 01.02.2020  in Kraft treten, wird das UK auch für steuerliche Zwecke als Drittstaat zu behandeln sein. Diese Folge tritt auch ein, wenn zwar ein Austrittsabkommen zwischen der EU und dem UK vereinbart wird, die darin möglicherweise vereinbarte Übergangsfrist aber abgelaufen sein wird. (Begründung des BMF zum Referentenentwurf des Brexit-Steuerbegleitgesetzes (Brexit-StBG).

Zur Zeit sind keine bilateralen Vereinbarungen zwischen Deutschland und dem UK ersichtlich, die das Entfallen der zurzeit geltenden steuerlichen Vergünstigungen für Verschmelzungs- und Einbringungsvorgänge vermeiden würden.

Die europäische Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit werden dann nicht mehr gelten.

Im Umsatzsteuerrecht werden sämtliche für den Waren- und Dienstleistungsverkehr im EU-Gebiet eingeführten Steuererleichterungen und Steuerbefreiungen entfallen. Die zwischen Deutschland und dem UK erbrachten Warenlieferungen und Dienstleistungen werden umsatzsteuerpflichtig.

Aufgrund der in Deutschland geltenden Sitztheorie wird zu prüfen sein, ob der tatsächliche Verwaltungssitz einer Gesellschaft in Deutschland oder im UK liegt, wenn eine Gesellschaft sowohl in Deutschland als auch im UK verschiedene Gesellschaften (Mutter- und Tochtergesellschaften) an verschiedenen Orten betreibt. So droht einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft in der Rechtsform der britischen "private company limited by shares“ (im folgenden kurz „Limited" oder „Ltd.“) allein aufgrund des Brexit die Auflösung.

Die im UK angewandte Gründungstheorie wird dazu führen, dass deutsche Gesellschaften mit Sitz im Gebiet des UK auch künftig anerkannt und bestehen bleiben werden. Zu beachten ist jedoch, dass die zwischen in Deutschland ansässigen Gesellschaften und ihren in Großbritannien bestehenden Filialen oder Niederlassungen oder Tochtergesellschaften unterhaltenen Beziehungen als Geschäfte zwischen Drittstaaten-Gesellschaften behandelt werden. Das führt zu zusätzlichen Informations-, Berichts- und Offenlegungspflichten. (KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Brexit-Leitfaden, Internet, April 2019, International Business, Abschnitt „Der Austritt steht bevor“, Seite 3)

II. Die im Abschnitt A oben beschriebenen Umwandlungsvorgänge werden demnach dann nicht steuerneutral durchführbar sein, wenn Teile der zuvor benannten Verschmelzungsvorgänge und Einbringungsmaßnahmen nicht bis zum 31.01.2020 abgeschlossen werden können, oder wenn nach bereits abgeschlossenen Vorgängen weitere damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen vorgenommen werden.

Beispielsweise könnte die Verschmelzung einer in Bristol im UK ansässigen Limited als übertragende Gesellschaft mit einer in Köln, Deutschland, ansässigen GmbH als übernehmende Gesellschaft im Wege der Aufnahme geplant sein. (§§ 122 a, 122 b UmwG)

Die Verschmelzung könnte wie folgt ablaufen:

- Die Umsetzung der geplanten Verschmelzung (gem. § 122c bis § 122 l UmwG) ist bis zum 29.01.2020  weitgehend realisiert.

Der dafür erforderliche notariell beurkundete Verschmelzungsplan liegt vor, dessen Bekanntmachung fand bereits statt, der Verschmelzungsbericht ist erstellt, die Verschmelzungsprüfung hat stattgefunden und die Anteilsinhaber haben zugestimmt. Das Vertretungsorgan der übertragenden Limited hat bereits das Vorliegen der sie betreffenden Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Verschmelzung zur Eintragung bei dem Register des Sitzes der Limited (Companies House in Cardiff) angemeldet. Die Mitglieder des Vertretungsorgans haben auch eine Versicherung abgegeben, dass allen Gläubigern, die einen Anspruch auf Sicherheitsleistung haben, eine angemessene Sicherheit geleistet wurde.

- Allerdings wurde die Verschmelzungsbescheinigung noch nicht vom Companies House ausgestellt. Die Geschäftsführer der übernehmenden GmbH haben deshalb noch nicht die Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister beim AG Köln angemeldet.

Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme hat das Vertretungsorgan der übernehmenden Gesellschaft die Verschmelzung zur Eintragung in das Register des Sitzes der übernehmenden Gesellschaft anzumelden. Der Anmeldung ist die Verschmelzungsbescheinigung der übertragenden Gesellschaft, der gemeinsame Verschmelzungsplan und gegebenenfalls die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer beizufügen. Die Verschmelzungsbescheinigung darf nicht älter als 6 Monate sein. (§ 122 l Abs. 1 UmwG)

- Der Brexit wird am 31.01.2020 durch Austritt des UK ohne Austrittsabkommen oder andere Vereinbarungen vollzogen.

- Die Verschmelzungsbescheinigung des Companies House geht im vorliegenden Fall erst am 10.02.2020 bei der Limited in Bristol ein.

In diesem Beispiel wurde die grenzüberschreitende Verschmelzung mangels Eintragung in die Register der beiden Gesellschaften nicht vor dem Austrittsdatum 31.01.2020  abgeschlossen. Erst durch die Eintragung in die Register wird die Verschmelzung wirksam. (§§ 19, 20 UmwG)

Sofern die beteiligten Gesellschaften die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Limited und in der Bilanz der übernehmenden GmbH ansetzen wollten (§ 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 u. 2, § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), ist diese Möglichkeit nicht mehr zulässig und stattdessen der gemeine Wert anzusetzen. Etwaig vorhandene stille Reserven werden aufgedeckt. Der daraus entstehende Gewinn ist zu versteuern.

III. Für bereits abgeschlossene Einbringungsvorgänge in der Form der Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 1 UmwStG) oder in der Form des Anteilstauschs (§ 21 Abs. 1 UmwStG) würde der Einbringungsgewinn rückwirkend als Gewinn des Einbringenden im Wirtschaftsjahr der Einbringung besteuert, soweit die erhaltenen oder eingebrachten Anteile innerhalb eines Zeitraums von 7 Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert werden.

Diese für die Einbringenden nachteilige Rechtsfolge ergibt sich aus folgenden Bestimmungen:

Eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns erfolgt dann, wenn im Anschluss an eine Sacheinlage oder im Anschluss an einen Anteilstausch jeweils unter dem gemeinen Wert für den Einbringenden oder die übernehmende Gesellschaft die Voraussetzungen im Sinne des § 1 Abs. 4 UmwStG nicht mehr erfüllt sind. (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft) und § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG (Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 UmwStG))

Nach § 1 Abs. 4 UmwStG und dessen Verweis auf § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung, dass die übertragenden und die übernehmenden Rechtsträger ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiets von Deutschland oder des UK haben. Diese Voraussetzungen müssen während des gesamten Zeitraums von 7 Jahren (§ 22 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UmwStG) nach dem Einbringungszeitpunkt vorliegen.

Diese Voraussetzungen würden innerhalb dieses Zeitraums entfallen, wenn der Brexit innerhalb des Zeitraums stattfinden würde. Der Einbringungsgewinn müsste also versteuert werden, obwohl die Einbringenden selbst keine steuerschädlichen Maßnahmen ergriffen hätten, also weder innerhalb dieses Zeitraums ihre Anteile veräußert haben noch in einen Drittstaat weggezogen sind. Der Eintritt der vom Steuerpflichtigen nicht verschuldeten Voraussetzungen hat den Gesetzgeber veranlasst, diese Rechtsfolgen durch eine entsprechende Gesetzesänderung zu vermeiden. (BMF, Referentenentwurf für das Brexit-Steuerbegleitgesetz, Begründung, B. Besonderer Teil, zu Art. 2, § 22 Abs. 8 UmwStG neu).

C. Rechtslage nach dem Brexit mit Gesetzesänderungen

Für Umwandlungen, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Brexits noch nicht abgeschlossen sind, oder für die der Brexit ein schädliches Ereignis darstellt, wurden zwei Gesetze erlassen, welche die vorstehend beschriebenen, negativen Auswirkungen vermeiden sollten.

 

I. Viertes Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes

(BGBl. 2018 I S. 2694)

1. Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.12.2018, in Kraft getreten am 01.01.2019, wurde § 122m in das Umwandlungsgesetz eingefügt. Diese neue Bestimmung enthält eine Übergangsregelung für die noch nicht abgeschlossenen grenzüberschreitenden Verschmelzungen.

Danach gilt als grenzüberschreitende Verschmelzung im Sinne des 10. Abschnitts (§ 122a bis 122 l UmwG) auch eine solche,

- an der eine übertragende Gesellschaft beteiligt ist, die dem Recht des UK unterliegt,

- sofern der Verschmelzungsplan nach § 122 c Abs. 4 vor dem Ausscheiden des UK aus der EU oder vor dem Ablauf eines Übergangszeitraums, innerhalb dessen das UK in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin als Mitgliedstaat der EU gilt, notariell beurkundet worden ist,

- und die Verschmelzung unverzüglich, spätestens aber 2 Jahre nach diesem Zeitpunkt mit den erforderlichen Unterlagen zur Registereintragung angemeldet wird.

- Ferner muss die übernehmende oder neue Gesellschaft dem deutschen Recht unterliegen.

Ergänzend zu dieser neuen Regelung bestimmt der neue § 1 Abs. 2 Satz 3 UmwStG, dass eine übertragende Gesellschaft, die von der Übergangsregelung in § 122m UmwG Gebrauch macht, in den persönlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes fällt, obwohl sich der Sitz der Gesellschaft nach dem Austritt des UK außerhalb der EU und des EWR befindet. Wie bereits ausgeführt, ist das Umwandlungssteuergesetz mit seinen steuerbegünstigenden Regelungen nur anwendbar, wenn die übertragenden und übernehmenden Rechtsträger beide ihren Sitz, Wohnsitz oder Ort der Geschäftsleitung innerhalb des UK und von Deutschland haben.

2. Weitere Gesetzesänderungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes sind:

a) In § 122a wurde in Abs. 2 der 2. Satz angefügt. Dadurch wird die Beteiligung einer Personenhandelsgesellschaft an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung geregelt.

b) Neu gefasst wurde § 122 b Abs. 1. An einer grenzüberschreitenden Verschmelzung können Kapitalgesellschaften als übertragende, übernehmende oder neue Gesellschaften beteiligt sein, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder des EWR gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat der EU oder im EWR haben. Personenhandelsgesellschaften können als übernehmende oder neue Gesellschaften beteiligt sein, wenn sie nicht mehr als fünfhundert Arbeitnehmer haben.

c) Nach der Änderung des § 122c Abs. 2 Nr. 9 und 12 und der Einfügung von Nr. 13 hat der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf neben den anderen angegebenen Angaben auch folgende zu enthalten:

aa) die Satzung oder den Gesellschaftsvertrag der übernehmenden oder neuen Gesellschaft (Nr. 9),

bb) den Stichtag der Bilanzen der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften, die zur Festlegung der Bedingungen der Verschmelzung verwendet werden (Nr. 12),

cc) im Fall der Verschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft gemäß § 122b Abs. 1 Nr. 2 für jeden Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers die Bestimmung, ob ihm in der übernehmenden oder der neuen Personenhandelsgesellschaft die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters oder eines Kommanditisten gewährt wird, sowie der festgesetzte Betrag der Einlage jedes Gesellschafters.

d) In § 122e wurde Satz 3 dahingehend geändert, dass § 8 Abs. 3 nicht anzuwenden ist, es sei denn, an der Verschmelzung ist als übernehmende oder neue Gesellschaft eine Personenhandelsgesellschaft gemäß § 122b Abs. 1 Nr. 2 beteiligt.

e) Für die Prüfung des Verschmelzungsplans nach den §§ 9 - 12 UmwG sind die §§ 44 und 48 UmwG nicht anzuwenden.

II. Brexit-Steuerbegleitgesetz

Das Gesetz über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Brexit-Steuerbegleitgesetz - Brexit-StBG) vom 25 März 2019 trat am 29. März 2019 in Kraft. (BGBl 2019 I S. 357)

In Art. 3 des Gesetzes wurden folgende Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes vorgenommen:

1. Dem § 1 Abs. 2 wurde folgender Satz angefügt:

„Eine übertragende Gesellschaft, auf die § 122m des Umwandlungsgesetzes Anwendung findet, gilt als Gesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung innerhalb des Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union."

2. Dem § 22 wurde folgender Abs. 8 angefügt:

"Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 und Abs. 2 Satz 6 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass allein der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union nicht dazu führt, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 nicht mehr erfüllt sind. Satz 1 gilt nur für Einbringungen, bei denen in den

Fällen der Gesamtrechtsnachfolge der Umwandlungsbeschluss vor dem Zeitpunkt, ab dem das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist, erfolgt oder in den anderen Fällen, in denen die Einbringungen nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt, der Einbringungsvertrag vor diesem Zeitpunkt geschlossen worden ist."

Die 1. Änderung bedeutet, dass für grenzüberschreitende Verschmelzungen fingiert wird, dass übertragende Gesellschaften ihren Sitz in der EU haben.

 

Aufgrund der 2. Änderung wird durch Abs. 8 Satz 1 hinsichtlich der einbringenden oder einer übernehmenden Gesellschaft das Vereinigte Königreich weiterhin wie ein Mitgliedstaat der EU behandelt. Dadurch wird eine rückwirkende Versteuerung des Einbringungsgewinns vermieden. Hiervon erfasst werden im wesentlichen die Fälle, in denen im UK ansässige Steuerpflichtige Betriebsstätten in eine EU-Kapitalgesellschaft eingebracht haben, und in denen in Deutschland ansässige Unternehmen eine inländische Betriebsstätte in eine britische Tochtergesellschaft eingebracht haben.

Durch den neuen Abs. 8 Satz 2 wird geregelt, dass die Bestimmung in Satz 1 nur für solche Fälle gilt, in denen die jeweilige Einbringung zeitlich vor dem Brexitstichtag rechtswirksam erfolgt ist. Satz 1 bezieht sich nur auf solche Einbringungen, bei denen der Umwandlungsbeschluss vor dem Brexitstichtag erfolgt ist oder in den anderen Fällen der Einbringungsvertrag vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde.

Die steuerliche Begünstigung wird jedoch in den Fällen nicht gewährt, in denen ein Einbringungsvorgang erst nach dem Stichtag durchgeführt wird, oder wenn ein an der Umwandlung Beteiligter die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG ohnehin nicht mehr erfüllt. (BMF, Referentenentwurf zum Rezept-Steuerbegleitgesetz, Begründung, B besonderer Teil zu Art. 2 (Änderung des Umwandlungssteuergesetzes))

D. Fazit

Nach dem Umwandlungsgesetz und Umwandlungssteuergesetz sind die Möglichkeiten, steuerlich begünstigte grenzüberschreitende Verschmelzungen und Einbringungen vorzunehmen, auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkt. Sofern diese Umwandlungsvorgänge nicht vor dem Brexitstichtag 31.01.2020 abgeschlossen sind, werden die steuerlichen Begünstigungen nicht mehr gewährt werden.

Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes und durch Art. 3 des Brexit-Steuerbegleitgesetzes werden die Möglichkeiten der steuerlich begünstigten Umwandlung durch grenzüberschreitende Verschmelzungen und Einbringungen über den Austrittsstichtag hinaus ermöglicht.

Die Frage, ob für den Fall eines sogenannten harten Brexits ohne Austrittsabkommen und ohne Übergangszeitraum bis zum 31.01.2020 noch die Möglichkeit besteht, eine Umwandlung zumindest bis zum Abschluss der jeweils erforderlichen Verträge für die grenzüberschreitende Verschmelzung und die Einbringung voranzubringen, wird wohl mit nein beantwortet werden müssen.

Im Falle eines sogenannten weichen Brexits bis zum 31.12.2020  mit Austrittsabkommen oder Übergangsregelung sollte zunächst überlegt werden, ob der geplante konkrete Vorgang von dem Austrittsabkommen oder Übergangsregelung sowie von den Vergünstigungen erfasst wird und ob die erforderlichen Maßnahmen mit der gebotenen Eile realisiert werden können. Falls das zutrifft, sollten die Chancen für eine steuerbegünstigte Umwandlung genutzt werden.